FG Himmelbach

Neuropsychologie der Handlungskontrolle

Die Arbeitsgruppe „Neuropsychologie der Handlungskontrolle“ widmet sich der Erforschung der Netzwerke und Systeme der Handlungskontrolle des Menschen. Wir untersuchen Störungen der Handlungsplanung und -steuerung im Zusammenhang neurologischer Erkrankungen und suchen ihre neuronalen Korrelate bei Patienten, die Hirnschädigungen infolge eines Schlaganfalls oder im Verlauf von degenerativen Erkrankungen erlitten haben. Durch die Beobachtung häufiger und typischer Symptome die nach oder im Verlauf dieser Hirnschädigungen auftreten und durch die gezielte Untersuchungen in Verhaltensexperimenten helfen uns diese Patienten nicht nur neurologische Störungen und Erkrankungen besser zu verstehen und die Einschränkungen und Defizite der Patienten besser einschätzen zu können. Die mit Unterstützung der Patienten gewonnenen Erkenntnisse helfen uns auch beim Verständnis der Funktionsweise des intakten, gesunden menschlichen Gehirns. Unsere Arbeit mit den Patienten bringt immer wieder neue Ansätze und Ideen insbesondere für Studien, die unter Verwendung der funktionellen Bildgebung mit gesunden Probanden die neuronalen Grundlagen der Handlungssteuerung beim Menschen untersuchen. Dabei interessieren wir uns besonders für die kortikalen Systeme, die uns das Ergreifen, Beurteilen und Manipulieren von Gegenständen ermöglichen, wie auch für die sensomotorischen Funktionen des menschlichen Hirnstamms.

Forschungsprojekte
Mitarbeitende
Publikationen

Bewertung der Funktionalität von Objekten und schlussfolgerndes Denken über mechanische Probleme

 

Der Mensch zeichnet sich durch eine beeindruckende Komplexität und Flexibilität bei der Verwendung von Werkzeugen und der Manipulation von Objekten aus. Wir untersuchen die kognitive Bewertung der durch ein bestimmtes Objekt angebotenen Handlungsmöglichkeiten und die an dieser Bewertung beteiligten neuronalen Systeme. Woran erkennen wir ein geeignetes Werkzeug? Welchen Beitrag leisten unser Gedächtnis und erlerntes Wissen zu dieser Bewertung und welchen Beitrag die visuelle Analyse und das schlussfolgernde Denken? Wir wissen, dass eine kleine Gruppe von neurologischen Patienten insbesondere Probleme bei dem Verständnis und der Verwendung bisher unbekannter Werkzeuge hat, wohingegen wohl vertraute Werkzeuge weitgehend unbeeinträchtigt erkannt und eingesetzt werden. Die Untersuchung dieser Patienten kann uns also helfen, den Beitrag der zuvor genannten Prozesse zu differenzieren.

Die Colliculi superiores des Menschen – kleine Big Player im Gehirn des Menschen?

 

Die Colliculi superiores sind eine relativ kleine Struktur im oberen Hirnstamm des Menschen. Im Widerspruch zu deren üblicher Beschreibung in neurologischen und neurowissenschaftlichen Textbüchern haben Forschungsarbeiten mit nicht-menschlichen Primaten der letzten zwei Jahrzehnte gezeigt, dass die Colliculi superiores eine Rolle bei der Ausführung von Armbewegungen spielen. In unseren Arbeiten konnten wir diese Erkenntnisse vom Tiermodell auf den Menschen übertragen. Bisher wissen wir aber von Affen wie auch von Menschen nur, dass die Colliculi superiores eine Rolle bei der Ausführung von Armbewegungen spielen, nicht aber welche Rolle. Der tatsächliche funktionelle Beitrag dieser Struktur zu Handlungsplanung oder auch -steuerung ist nach wie vor unbekannt. Um hier neue Erkenntnisse liefern zu können, entwickeln wir in Zusammenarbeit mit dem MPI für Hochfeldmagnetresonanztomographie unsere Fähigkeiten der funktionellen bildgebenden Untersuchung bei gesunden Menschen ständig weiter. Inzwischen haben wir erste Untersuchungen in einem 9,4T MRT des MPI durchgeführt und damit bisher einzigartige funktionelle Messungen des menschlichen Hirnstamms durchgeführt. In der Zukunft sollen strukturelle wie auch funktionelle Konnektivität der Colliculi superiores in verschiedensten Paradigmen untersucht werden. Angesichts des derzeitigen Unwissens über den funktionellen Beitrag der CS zu verschiedensten sensomotorischen Systemen beim Menschen jenseits des Tiermodells, können diese Arbeiten auf lange Sicht eine hohe klinische Relevanz haben. Erste Arbeiten lassen z.B. eine wesentliche Rolle beim Auftreten einer zervikalen Dystonie vermuten.
 

Der Einfluss von Objektwissen auf die Visuomotorik

 

Wir ergreifen einen Schraubenzieher auf eine ganz bestimmte Art und Weise, wenn wir ihn als Schraubenzieher verwenden wollen. Und wir ergreifen ihn ganz anders, wenn wir ihn nur einfach auf die Seite legen wollen. Trotz solch offensichtlicher Abhängigkeiten unserer visuellen Bewegungsplanung und -steuerung von der Objekterkennung, werden viele experimentelle Untersuchungen der Visuomotorik durchgeführt als ob visuomotorische Prozesse gänzlich unabhängig wären vom Wissen über und von verschiedensten Gegenständen unseres Alltags, das in unseren Köpfen gespeichert ist. Wir konnten bei gesunden Probanden zeigen, dass über eine lange Zeit gelernte Assoziationen zwischen Objektidentität und typischer Größe stark genug sind, um auch visuomotorische Kontrollprozesse zu beeinflussen. Bei einigen Patienten mit einer beeinträchtigten Bewegungskontrolle nach einer Hirnschädigung fanden wir zudem, dass diese gut bekannte Alltagsobjekte besser ergreifen können als bedeutungsfreie geometrische Blöcke. Insgesamt zeigen unsere Arbeiten, dass unser erlerntes Wissen vertrauter und gut bekannter Objekte unsere Bewegungssteuerung stärker beeinflusst als bisher gedacht.

Der Beitrag ventraler und dorsaler visueller Systeme zur Handlungskontrolle

 

Das von Mel Goodale und David Milner formulierte Modell einer in weiten Teilen dissoziierten visuellen Verarbeitung in einem ventralen perzeptiven und einem dorsalen motorischen System hatte einen enormen Einfluss auf die kognitiven Neurowissenschaften der Wahrnehmung und der Handlungskontrolle über die vergangenen 25 Jahre. So einflussreich dieses Modell auch ist, ist es in den vergangenen Jahren von vielen Wissenschaftlern deutlich kritisiert worden. In Würdigung der bemerkenswerten treibenden Kraft dieses Modells prüfen wir seine grundlegenden Annahmen und Forderungen. So studieren wir den Einfluss von zeitlichen Verzögerungen auf die Genauigkeit von Hand- und Armbewegungen bei gesunden Probanden und bei Patienten mit einer Hirnschädigung, insbesondere bei Patienten mit einer optischen Ataxie oder visuellen Agnosie. Wir untersuchen kortikale Systeme der Echtzeitkontrolle und kartieren die funktionellen Beiträge des parieto-okzipitalen Kortex zur Planung und Steuerung visuell geführter Bewegungen.


 
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 Marc Himmelbach
Marc HimmelbachResearch Group Leader
Neuropsychology of Action

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Journal Articles

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Buchkapitel

 

Himmelbach M (2013). Der Mensch denkt - Möglichkeiten und Grenzen der bildgebenden Hirnforschung. In: J Audretsch, K Nagorni (eds.) Der Mensch und sein Gehirn. Karlsruhe, Evangelische Akademie Baden, 12-68.

Perenin MT, Himmelbach M (2012). Optische Ataxie. In: H-O Karnath, P Thier (eds.) Kognitive Neurowissenschaften. 3. Auflage. Heidelberg, Springer, 389-402.

Himmelbach M (2011). Störungsspezifische Diagnostik: Optische Ataxie. In: D Nowak (ed.) Handfunktionsstörungen in der Neurologie. Heidelberg, Springer, 151-154.

Himmelbach M (2011). Störungsspezifische Therapie: Optische Ataxie. In: D Nowak (ed.) Handfunktionsstörungen in der Neurologie. Heidelberg, Springer, 353-355.

Himmelbach M, Karnath H-O (2007). Optic ataxia: a gateway to the human visual action system. In: F Mast, L Jäncke (eds.) Spatial processing in navigation, imagery and perception. New York, Springer, 85-105.

Himmelbach M, Karnath H-O (2006). Optische Ataxie. In: Karnath H-O, Hartje W, Ziegler W (eds.) Kognitive Neurologie. Stuttgart, Thieme, 144-147.

Leitung Forschungsgruppe
PD Dr. Marc HimmelbachTelefon 07071 29-81943marc.himmelbach@uni-tuebingen.deAnschrift

Hertie-Zentrum für Neurologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung

Otfried-Müller-Str. 27
72076 Tübingen

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Fax: +49 (0)7071 29-5957