JFG Marquetand

Magnetomyographie

Unsere Arbeitsgruppe verfolgt das Ziel, die Magnetomyographie (MMG) als innovative, kontaktlose Alternative zur Elektromyographie (EMG) für die Erforschung des gesunden sowie für die Diagnostik und Therapie des erkrankten neuromuskulären Systems nutzbar zu machen. Wo ist die MMG der EMG über- oder unterlegen? Wo fungiert sie komplementär? Welche neuen physiologischen und pathophysiologischen Perspektiven erlaubt die MMG auf unser neuromuskuläres System? 

Um diese Fragen zu beantworten nutzen wir modernste Quantensensoren, die die kontaktlose Messung der MMG erst ermöglichen und wenden diese in den Grundlagenwissenschaften, der klinischen Neurophysiologie und der Neuroprothetik an. Viele Forschungsprojekte stellen Schnittstellen zwischen Quantentechnologie, Medizin und Ingenieurwesen dar – in diesem Sinne sind es häufig Pionierarbeiten. Unsere Forschung wird durch die DFG, das BMFTR und das DLR (BMWK) gefördert.

Forschungsprojekte
Mitarbeitende
Kooperationen
Publikationen

Mensch-Maschine-Schnittstellen mit Quantensensoren (QHMI2)

QHMI2 erforscht neuartige Mensch-Maschine-Schnittstellen auf Basis von Quantensensoren. Diese hochempfindlichen Magnetfeldsensoren erlauben es, Muskel- und Gehirnaktivität berührungslos und mit bisher unerreichter Präzision zu erfassen. Damit entsteht eine entscheidende Alternative zur klassischen Elektromyographie, die stets direkten Kontakt mit dem Körper erfordert. Ziel des Projekts ist es, die Technologie in drei zentralen Anwendungen voranzubringen: präzise und intuitive Steuerung moderner Prothesen, kontaktlose Diagnose neuromuskulärer Erkrankungen sowie ein bidirektionales Gehirn-Computer-Interface, das erstmals Messung und gleichzeitige Stimulation kombiniert. Die berührungsfreie Anwendung eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Medizin, insbesondere für besonders sensible Patientengruppen wie Neugeborene, Kinder oder Menschen mit Haut- und Nervenschädigungen. Das Projekt vereint führende Forschungseinrichtungen, Kliniken und Industriepartner, die gemeinsam an Sensorik, Signalverarbeitung und klinischer Erprobung arbeiten. Langfristig soll QHMI2 dazu beitragen, Quantensensorik aus dem Labor in die klinische Routine und perspektivisch auch in den Alltag zu überführen – als Grundlage für eine neue Generation intuitiver, kontaktloser Schnittstellen zwischen Mensch und Technik.

MyoQuant – Integrierte Quantenoptische Magnetometer für Magnetomyographie auf der ISS 

Das Projekt MyoQuant zielt darauf ab, eine mobile und kontaktlose Muskeldiagnostik mittels MMG für den Einsatz auf der Internationalen Raumstation (International Space Station, ISS) zu entwickeln. Hintergrund ist, dass langanhaltende Mikrogravitation pathologische Veränderungen des neuromuskulären Systems verursacht, sodass Astronautinnen und Astronauten nach ihrer Rückkehr zur Erde oft kaum eigenständig stehen oder gehen können. Um die zugrunde liegenden Prozesse im Weltraum ohne Materialverbrauch messen und besser verstehen zu können, bietet sich eine kontaktlose, mobile Muskeldiagnostik i.S.e. mobilen MMG an. Neben der Entwicklung und fortlaufenden Optimierung der mobilen MMG liegt ein zentrales Augenmerk auf der Realisierung einer weltraumtauglichen, kontaktlosen Muskeldiagnostik, die hochsensitiv, robust und nachhaltig funktioniert. Mit ihrer Hilfe soll die Grundlage geschaffen werden, um in Zukunft wesentliche pathophysiologische Mechanismen der weltraumbedingten Muskelatrophie entschlüsselt werden.

Nachweisgrenzen der Elektromyographie-basierten Diagnostik spontaner Muskelaktivität 

Pathologische Spontanaktivität der Muskulatur ist ein klinisch relevantes Merkmal einer Vielzahl neuromuskulärer Erkrankungen und lässt sich elektromyographisch bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich mittels invasiver EMG (iEMG) detektieren, was konventionell mittels Nadelelektroden geschieht. Bis heute gibt es keine validierten Methoden für die Erkennung der meisten Arten spontaner Muskelaktivität, z.B. Fibrillationen oder myotone Entladungen, unter Verwendung von nicht-invasivem Oberflächen-EMG (sEMG), und die Nachweisgrenzen von spontaner Muskelaktivität sind nicht systematisch untersucht. Diese fundamentale Frage werden wir mittels des Forschungsvorhabens beantworten, indem wir eine noch nie dagewesene Kombination von Untersuchungen durchführen, die zum ersten Mal modernste EMG-Technologie auf diese klinische Frage anwenden und die Ergebnisse mit Computersimulationen und Analysemethoden erweitern. Durch einen iterativen Austausch von Erkenntnissen von in-vivo und in-silico Experimenten werden hierbei nicht nur die Grenzen des sEMG definiert, sondern auch grundlegende Fragen hinsichtlich der Genese von pathologischer Spontanaktivität beantwortet werden können. Als letzten Schritt werden wir die Summe der gewonnenen Erkenntnisse in die Quantensensorik translatieren und die technischen Voraussetzungen für die Messung pathologischer Spontanaktivität mit Hilfe der berührungslosen MMG definieren, wodurch sich die Nachweisgrenze für spontane Muskelaktivität weiter verschieben lässt.


 
Name
Arbeitsgruppe
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Dr. Justus Marquetand
Dr. Justus Marquetand Physician
FG_Marquetand
 
  • Universität Stuttgart:
    • Institut für Modellierung und Simulation biomechanischer Systeme Prof. Dr. Oliver Röhrle, Dr. Thomas Klotz, Dimitrios Dimitrakopoulos, Franziska Bubeck
    • 3. Physikalisches Institut: Prof. Dr. Jörg Wrachtrup
  • PTB Berlin: Dr. Stefan Hartwig, Dr. Thomas Middelmann, Dr. Victor Lebedev, Simon Nordenström
  • FBH Berlin: Prof. Dr. Markus Krutzik, Sascha Neinert, Kirti Vardhan
  • University of Glasgow: Prof. Dr. Haid Heidari, Dr. Siming Zuo, Negin Ghahremani Arekhloo

Auswahl

- Baier L, Brümmer T, Senay B, Siegel M, Ahmet Doğukan Keleş, Oliver Röhrle, Thomas Klotz, Nima Noury, und Justus Marquetand. „Contactless Measurement of Muscle Fiber Conduction Velocity-a Novel Approach Using Optically Pumped Magnetometers“. Journal of Neural Engineering 22, Nr. 2 (16. April 2025). https://doi.org/10.1088/1741-2552/adc83b.

- Brümmer, Tim, Hongyu Lu, Haodi Yang, Lukas Baier, Christoph Braun, Markus Siegel, und Justus Marquetand. „Training Adaptations in Magnetomyography“. Journal of Electromyography and Kinesiology: Official Journal of the International Society of Electrophysiological Kinesiology 82 (Juni 2025): 103012. https://doi.org/10.1016/j.jelekin.2025.103012.

- Greco, Antonino, Sangyeob Baek, Thomas Middelmann, Carsten Mehring, Christoph Braun, Justus Marquetand, und Markus Siegel. „Discrimination of Finger Movements by Magnetomyography with Optically Pumped Magnetometers“. Scientific Reports 13, Nr. 1 (13. Dezember 2023): 22157. https://doi.org/10.1038/s41598-023-49347-z.

- Marquetand, Justus, Thomas Middelmann, Juergen Dax, Sangyeob Baek, Davide Sometti, Alexander Grimm, Holger Lerche, u. a. „Optically Pumped Magnetometers Reveal Fasciculations Non-Invasively“. Clinical Neurophysiology: Official Journal of the International Federation of Clinical Neurophysiology, 1. Juli 2021, S1388-2457(21)00630-1. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2021.06.009.

- Marquetand, Justus, Nima Noury, Hongyu Lu, Haodi Yang, Chrystina Montuori Sorrentino, Lukas Rüttiger, Marlies Knipper, u. a. „Phonation Differentiation by Non-Contact Laryngeal Magnetomyography“. Scientific Reports 15, Nr. 1 (29. Mai 2025): 18900. https://doi.org/10.1038/s41598-025-02956-2.

Leitung Juniorforschungsgruppe
PD Dr. Justus MarquetandTelefon 07071 29-81196justus.marquetand@uni-tuebingen.deAnschrift

Hertie-Zentrum für Neurologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Abteilung Neuronale Dynamik und Magnetenzephalographie

Otfried-Müller-Straße 47
72076 Tübingen

Tel.: +49 (0)7071 29 81196